Visions of Beauty Rundgang im 1. Obergeschoss

 
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Visions of Beauty in der Cadoro


Im aktuellen Film der Woche präsentiert die Galeristin Dr. Dorothea van der Koelen den Ausstellungsraum im 1. Obergeschoss der Cadoro – Zentrum für Kunst und Wissenschaft und stellt die dort gezeigten Arbeiten und die Künstler im Detail vor. Im 1. Obergeschoss werden folgende Künstler präsentiert:

Der konstruktivistische Maler und Autor Hans Jörg Glattfelder ist einer der herausragendsten Vertreter der konkreten Kunst in der Schweiz. In den 60er Jahren beschäftigte er sich künstlerisch mit anonymen, industriellen Produktionsmethoden (Pyramidenreliefs), später mit der Frage der ›nicht-euklidischen Geometrie‹ zur Erzeugung von konkreten Kunstwerken (Nicht-euklidische Metaphern). In seinen Schriften plädiert er für eine sich rational konstituierende Kunst (›Meta-Rationalismus‹) und für einen interdisziplinären Austausch zwischen Wissenschaft und Kunst (›methodischer Konstruktivismus‹). Dorothea van der Koelen zeigt vier Arbeiten des Schweizer Künstlers, darunter zwei kleine historische Meisterwerke: Pyramiden-Relief mir 7 (Relief, Lack auf Kunststoff, 1968) und Elfer-Stab (Acryl auf Leinwand über Holz, 1975).

Die zentralen Themen im Werk von Hellmut Bruch sind ›Licht‹ und ›Proportion‹, die sich auf das klassische Harmonieprinzip des ›Goldenen Schnitts‹ beziehen. »Was mich am Licht und an den Naturgesetzen interessiert, ist ihre Immaterialität im Zusammenwirken mit der Materialität des Wahrnehmbaren«, so Hellmut Bruch. Das primäre Konstruktionsprinzip seines Schaffens basiert auf der Fibonacci-Folge (0, 1, 1, 2, 3, 5, 8, 13, 21…), die eng mit den Proportions-Verhältnissen des Goldenen Schnitts verbunden ist. Ein solches universales und klassisches Harmoniegesetz verleiht den Werken von Hellmut Bruch den Eindruck von Schönheit und Perfektion, wie z. B. das Werk Progression 8/8/16/24 (fluoreszierendes Acrylglas, orange, 2011) zeigt.

Von Raimund Girke präsentiert Dorothea van der Koelen eine fragile, malerische Tuschzeichnung (105 x 71 cm) aus dem Jahr 1990, in der Girke es schafft, eine unglaubliche Dynamik zwischen Dunkelheit und Licht zu entwickeln und eine komplexe Tiefe zu erzeugen. Dabei gelingt es ihm, ein zart leuchtendes Weiß aus der Oberfläche heraus vibrieren zu lassen.

Das Werk Chroma 2020 (Aluminium, Acryl-Farbe) des belgischen Künstlers Arne Quinze ist das Ergebnis seiner Suche nach Schönheit in der Natur. Der Künstler beobachtet, dass wir als Gesellschaft den Kontakt zur Natur verloren haben und in einer zu künstlichen Welt leben. Mit seinem Werk versucht Quinze, das Gleichgewicht zwischen Natur und Gesellschaft wiederherzustellen, indem er Kraft und Vielfalt der Natur mit einer einzigartig rauen und doch zerbrechlichen Bildsprache zeigt. Seine zahlreichen Werke im öffentlichen Raum demonstrieren seine Überzeugung »Cities should be like open air museums«, wo die künstliche Natur zum Menschen kommt.

Die Zusammenarbeit mit dem ehemaligen Uecker-Schüler Mario Reis datiert zurück in das Jahr 1985, als Dorothea van der Koelen in ihrer Bretzenheimer Galerie die ersten Naturaquarelle des Künstlers präsentierte: Baumwolltücher, die in fließende Gewässer gelegt das Wesen des Wassers abbilden. Das 45. Jubiläum der Galerie feiert Reis heute mit seiner bunten, verspielten Werkserie Hommage au Champagne. Die Struktur der gegenstandlosen, leicht und fröhlich wirkenden Kompositionen entwickelt sich aus der unpräzisen runden Form eines Champagner-Korkens, die mit Farbe auf der Papierfläche aufgetragen wird – wie ein Stempel.

Der Punkt dient dem konstruktiv-konkreten Künstler Reinhard Roy als Gestaltungsmittel zur Darstellung räumlicher Wirkungen auf der Fläche. Diese erzielt er mittels einer Rasterschablone. Durch mehrfach aufgetragene, sich überlagernde Punktraster entsteht unter Verwendung einer differenzierten Farbenpalette und Hell- und Dunkeltönen auf der Leinwand ein beeindruckendes Flimmern. In der Ausstellung zeigt er das 15-teilige raumgreifende und bunte Werk Linie Dorothea (Mischtechnik auf Leinwand, je 60 x 60 cm).

Der aus Kiel stammende Künstler Wulf Kirschner hat sich der Unendlichkeit der Linie verschrieben, sie ist sein Gestaltungselement par excellence. Sein Hauptwerkstoff ist der Schiffsbaustahl. Mit seinen ebenen Reliefs erzielt er eine dreidimensionale Wirkung, die sich durch die Technik der Schweißspurenbilder und durch die daraus entstehenden Farben ins Malerische weiterentwickeln lässt. Je nachdem welches Material der Künstler verwendet, können seine Bilder und Skulpturen eine farbig schillernde Oberfläche (z.B. bei Chromnickelstahl-Elektroden) bekommen oder in warmen Erdtönen leuchten. Im Werk Kirschners glaubt man, geschriebene Zeilen zu entdecken, Zeilen aus einer imaginären Buchseite. In der Jubiläumsausstellung zeigt Kirschen sechs Arbeiten, darunter drei Skulpturen, die er 2024 realisiert hat.

Der in Karlsruhe lebende chinesische Künstler Guang Yao Wu ist für seine individuelle Bildsprache bekannt geworden, die er in Auseinandersetzung mit Grundprinzipien des ›Konstruktivismus‹ und der ›Minimal Art‹ entwickelt hat und mit der Vorstellungswelt der chinesischen Kultur zusammenführt. Wu studierte in Shanghai an der School of Art und in der Akademie in Peking. 1989 kam er nach der gewaltsamen Unterdrückung des friedlichen Studentenprotests in Peking mit einem DDR-Interflug über Ostberlin nach Deutschland. Die Struktur eines Bildes geht in seinem Werk vom einzelnen Punkt aus. Der Punkt als Tropfen, als Ellipse, als Mikrophonhülle, als Kreis. Der Punkt als Grundelement einer Struktur, die durch ein strenges Verfahren entsteht, aber den Betrachter Blick von Festlegungen befreit. Ein wunderbares Beispiel seines Schaffens ist die ausgestellte Tusche auf Bütten (120 x 80 cm) aus dem Jahr 1995.

Der ewige Kreis von Vergehen und Wiederkehren der Zeit scheint im Mittelpunkt der Arbeit des britischen Künstlers Nigel Hall zu sein. Er selbst schreibt über sein ausgestelltes Werk: »Past and Present ist eine hohle, an der Wand befestigte Komposition aus Birkensperrholz, und stammt aus einer Skulpturenreihe, die ich vor einige Jahren realisiert habe.« Die Plastik besteht aus zwei miteinander verbundenen Elementen, die eine elliptische Form bilden. Eine horizontale Linie trennt die zwei Hohlräume und verleiht der Komposition den Eindruck von Ruhe. Die sanfte Maserung des Holzes intensiviert diesen Eindruck.

Der Künstler Sebastian Dannenberg entfaltet mit seinen Werken einen poetischen Dialog zwischen den minimalistischen Formen der vorfabrizierten Teile und Objekte aus industriellen Materialien – wie Stahl, Aluminium und Beton – und der malerische Geste seines Farbauftrages. Seit über 10 Jahren beschäftigt sich Dannenberg mit Schriftbildern, mit der Vorderseite und der Rückseite von Buchstaben und Worten, die auf einem Rahmen installiert sind. Durch die Umkehrung des Schriftbildes und durch die Auseinandersetzung mit dem Rahmen entsteht ein zusätzlicher, imaginärer Raum, in den man sich selbst hineinprojizieren kann. HUMAN ist der Titel seines für die Jubiläumausstellung entstandenen Schriftbildes. Ein Werk, das die Entstehung eines Raums heraufbeschwört, in den sich alle Menschen hineinimaginieren können. Ein Raum der Inklusivität.

Philipp Neßler studierte mit seiner Kollegin Julia Seifried Bildhauerei bei Prof. Martin Schwenk in Mainz. Inzwischen leben und studieren beide an der Kunstakademie Düsseldorf. Für die Jubiläumsausstellung haben sie das Fragment realisiert. Während einer Reise in der Schweiz fuhr das Künstler-Duo durch den 17 km langen Gotthard-Tunnel und stellte fest, wie wenig man sich als Reisender mit der Struktur und den Details eines Tunnels beschäftigt. Man nimmt keine Besonderheiten wahr, nur die durchgezogene Linie in der Mitte der Straße. In ihrem Werk arbeiten Neßler und Seifried ein aufs Essentielle reduziertes Fragment der Struktur eines Tunnels heraus, befreien und fixieren dadurch auch einen einzelnen Augenblick der schnell vergehenden Reise. Sie öffnen die bedrückende kreisförmige Betonstruktur und kreieren ein minimalistisch anmutendes Werk.

Der 29-jährige chinesische Künstler Jiaqing Li war zum ersten Mal im Sommer 2023 in der Cadoro im Rahmen der Veranstaltung Experimente V vertreten. Jiaqing Li, der aus Shenzhen stammt, lebt seit einigen Jahren in Frankfurt und arbeitet in Mainz. Seine Werke weisen Elemente der Konstruktiven Kunst auf, basieren aber auf ganz neuen, bisher noch nie gesehenen und immer anders erscheinenden Formen und Modulen, die der Künstler mithilfe einer 3D-Software zuerst virtuell entwickelt und danach mit einem 3D-Drucker herstellt. Obwohl seine Werke ihre Eigenschaften der Strenge einer präzisen und logischen Struktur verdanken, wird die persönliche Auseinandersetzung des Betrachters mit dem Werk in den Mittelpunkt gestellt und von jeglicher Botschaft befreit. Für die Jubiläumsausstellung hat Jiaqing Li drei Werke realisiert: Code 9483 (Harzdruck, rostfreie Schrauben), Code 6154 (Harzdruck, PLA-Kunststoff, rostfreie Schrauben) und Code 1391 (Harzdruck, PLA-Kunststoff, rostfreie Schrauben).

So gibt es viel zu sehen und zu erleben. Kommen Sie uns also besuchen Sie unsere schöne Ausstellung, die auf allen Etagen der Cadoro – Zentrum für Kunst und Wissenschaft noch bis Dezember 2024 zu sehen sein wird. Die Cadoro ist jeden Mittwoch von 10–16 Uhr und nach Vereinbarung geöffnet. Sprechen Sie uns gern an, um einen individuellen Besichtigungstermin zu vereinbaren.


Dr.  Dorothea  van der Koelen

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