Günther Uecker Verletzungen – Verbindungen

27. Mai 2025
Günther Uecker auf YouTube
3:57

Günther Uecker · Cadoro Ausstellung 2025

 

Uecker (*1930 in Wendorf) ist international bekannt für seine genagelten Reliefs, die er seit den 1950er Jahren entwickelt. Er war ein zentrales Mitglied der Gruppe ZERO, die in der Nachkriegszeit radikal mit tradierten Vorstellungen von Kunst brechen wollte – mit Licht, Bewegung und Raum als neuen künstlerischen Mitteln.

Sein Werk Verletzungen – Verbindungen (1987), in dieser Woche im Fokus steht, ein eindrucksvolles Beispiel für seine anhaltende Auseinandersetzung mit Schmerz, Heilung und dem Verhältnis von Zerstörung und Wiederherstellung.

Das Werk ist nicht ausschließlich als einzelnes Objekt, sondern auch als Installation bzw. als raumgreifende künstlerische Aussage zu verstehen. Es besteht aus stark beanspruchten Materialien – Holz (als Bildträger), Stoffstreifen, weiße Farbe und Nägeln – und trägt eine klare gestische, fast rituelle Handschrift. Nägel sind bei Uecker ein wiederkehrendes Motiv: Sie symbolisieren sowohl Wunden (Verletzungen), als auch eine Art von Zusammenfügung (Verbindungen).

Im Kontext dieser Arbeit kommt allen verwendeten Komponenten eine Rolle im Spannungsfeld von Verletzung und Heilung zu. Die für Uecker typischen Nägel sind – wie oben beschrieben – an beiden Gegenpolen zu verorten. Die weiße Farbe, die der Künstler in gestischem Duktus auf der Arbeit verteilt, kann auch als Salbe und somit Mittel der Heilung verstanden werden. Ähnliches gilt für die Stoffstreifen, die auch in der Art ihrer Montage auf dem Bildträger optisch an Verbände erinnern.

Uecker war Teil der Gruppe ZERO (mit Heinz Mack und Otto Piene), die in den 1950er und 60er Jahren versuchte, die Kunst ›bei Null‹ neu zu beginnen – als Reaktion auf die Traumata des Zweiten Weltkriegs und die Zerstörung Europas. Diese Bewegung wollte mit Licht, Bewegung und einfachen Materialien eine neue Poesie in der Kunst schaffen.

Seine Materialwahl und der gestische Zugriff stehen dem europäischen Informel (z. B. Wols, Fautrier) und später auch der Arte Povera nahe. Ueckers Werk zeigt eine deutliche Nähe zur Idee, dass Kunst nicht aus edlen Materialien bestehen muss, sondern Ausdruck existenzieller Erfahrung sein soll.

Verletzungen – Verbindungen hat auch eine spirituelle, fast liturgische Dimension. Die Nägel erinnern an christliche Ikonografie (Kreuzigung, Märtyrertum), aber auch an schamanistische oder rituelle Praktiken. In dieser Hinsicht kann Ueckers Werk auch als moderne Form einer meditativen Handlung gelesen werden.

Das Werk entstand 2005, in einer Zeit, in der Uecker sich verstärkt mit politischen, sozialen und ethischen Fragestellungen auseinandersetzte. Die Nachwirkungen von Krieg, Flucht, Zerstörung – etwa aus seiner eigenen Biografie als Kriegsflüchtling – durchziehen dieses Werk. Es kann auch als Kommentar auf aktuelle Konflikte und die Suche nach Versöhnung gelesen werden.

 

In unserem Video der Woche stellt die Galeristin und Kunsthistorikerin Dr. Dorothea van der Koelen, die jahrzehntelang eng mit Uecker zusammenarbeitete und viel über dessen Arbeitsweise zu berichten vermag, diese wichtige Arbeit, die im Rahmen unserer Ueckerausstellung unter dem Titel Werkbeispiele 1986–2012 zu sehen ist, genauer vor. Wir wünschen viel Spaß beim Anschauen.

In der weiteren Auseinandersetzung mit dem Themenkomplex Verletzungen – Verbindungen hat Günther Uecker des Weiteren eine Radierung und einen Siebdruck gleichen Titels geschaffen. Die Blätter sind seit Jahren sehr gefragt, aber wir haben noch ein kleines Kontingent in unseren Magazinen. Bei Interesse wenden Sie sich gern an uns.

 

Günther Uecker - Verletzungen – Verbindungen
Günther Uecker
Verletzungen – Verbindungen ‧ 1989
Nagel-Relief mit Leinwandstreifen und weißer Farbe
240 x 250 cm
Inv.-Nr. 1033
Günther Uecker - Verletzungen
Günther Uecker
Verletzungen ‧ 1992
Radierung
46 x 33 cm · Aufl. 90 Ex.
Inv.-Nr. 2302
Günther Uecker - Verletzungen – Verbindungen
Günther Uecker
Verletzungen – Verbindungen ‧ 1998
Siebdruck in 2 Farben auf Büttenpapier
62 x 48 cm · Aufl. 300 Ex.
Inv.-Nr. 2288
Anfrage

 

 

Dr.  Dorothea  van der Koelen

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