Günther Uecker Römersteine
22. Mai 2025Günther Uecker · Wasser · 1994
Günther Uecker (*1930) ist berühmt für seine reliefartigen Nagelbilder, die er seit Ende der 1950er Jahre realisiert. Weniger bekannt sind seine Aquarelle und Zeichnungen, wie beispielsweise der Zyklus der Mainzer Römersteine aus dem Jahr 1987. Der Zyklus umfasst 47 Marmorstaub-Zeichnungen, die der Künstler in Zusammenarbeit mit Dr. Dorothea van der Koelen bei einem Besuch in Mainz angefertigt hat. Auf dem Weg zur Galerie ›entdeckte‹ Uecker in Mainz-Zahlbach die Funde aus der Römerzeit, die ihn sogleich in ihren Bann zogen. Bei den 47 »Steinen« handelt es sich um Überreste eines römischen Aquädukts aus dem 1. Jahrhundert n. Chr. Analog fertigte er 47 Zeichnungen, »Portraits«, der Römersteine an. Eigens für diese Werkgruppe entwickelte Uecker eine besondere Technik: Zunächst vermischte er Marmorstaub mit verdünntem Holzleim und trug das Gemisch auf das Papier auf. Dann zeichnete er mit dem Bleistift in den noch feuchten Bildgrund, wodurch das Graphit besonders intensiv wurde.
Die Beilradierungen zu den Mainzer Römersteinen verlegten Günther Uecker und Dr. Dorothea van der Koelen in einem 50-teiligen Mappenwerk. Es enthält neben den »Portraits« ein Titelblatt, ein Textblatt und ein Impressum und ist in einer Auflage von nur neun Exemplaren erschienen. Darin beschreibt der Künstler die Römersteine als »Gnomenhafte Gestalten amorph mit der Natur eine Beziehung eingehend, versinkende Zeugen einer alten Kultur im Übergang.«
Die Beilradierung ist ein Spezialverfahren innerhalb der Druckgrafik. Sie wurde im 20. Jahrhundert besonders durch Künstler wie Günther Uecker bekannt und gehört zu den experimentellen Tiefdrucktechniken. Ähnlich wie bei der Kaltnadeltechnik werden die zu druckenden Linien mit Hilfe des Beils direkt in die Druckplatte geritzt.
Ueckers philosophische Gedanken – sein Verständnis der Römersteine als Artefakte menschlicher Präsenz, die von der Natur zurückgefordert werden – inspirierten ihn außerdem 1987 zu einem Gesamtkunstwerk in der Galerie Dr. Dorothea van der Koelen. Der Katalog Günther Uecker · Schatten – Schein in der Reihe ›Dokumente unserer Zeit‹ – Band IV illustriert die Ausstellung, das Environment und die dazugehörigen Nagelbilder. Die Ausstellung mit den Mainzer Römersteinen von Uecker wanderte um die Welt und war u.a. in den Goethe-Instituten von Chicago und Rom zu sehen.
Ueckers Installation vereint konzeptuelle Tiefe, materielle Präsenz und ästhetische Strenge. Zugleich verweist es auf eine spezifische Topografie (Mainz) und deren Geschichte, was typisch für Ueckers kontextbezogene Arbeiten der 1980er Jahre ist.
Uecker zählt seit 1961 zu den Mitgliedern der avantgardistischen Künstlergruppe ZERO, die 1958 von Heinz Mack und Otto Piene gegründet worden war. Als Reaktion auf den Schrecken des zweiten Weltkriegs suchten die ZERO-Künstler einen Neuanfang in der Kunst. Reinheit, Schönheit und Stille zählten zu den angestrebten Idealen der Gruppe, die sich rasch zu einer europäischen Bewegung mit Ablegern in Italien und den Niederlanden entwickelte.
In unserem Video der Woche stellt die Galeristin und Kunsthistorikerin Dr. Dorothea van der Koelen, die jahrzehntelang eng mit Uecker zusammenarbeitete und viel über dessen Arbeitsweise zu berichten vermag, die Werkgruppe der Römersteine genauer vor. Wir wünschen viel Spaß beim Anschauen.
Und hier möchten wir Sie noch einmal auf die laufende Uecker-Ausstellung in der Cadoro aufmerksam machen.