Heinz Gappmayr

Die Realität des Gedachten – 17. Dezember 2025 CADORO Mainz

 

Heinz Gappmayr – Sprache und Raum

 Gaby Gappmayr

1969 fand anlässlich der 28. Biennale di Venezia eine Ausstellung unter dem Titel Mostra di poesia concreta statt, bei der Werke internationaler Künstler präsentiert wurden, welche die Sprache selbst in den Mittelpunkt stellten. Bereits 1967 erschien zu einer Ausstellung im Castello di San Giusto in Triest eine umfassende Publikation unter dem Titel Segni nello Spazio (Zeichen im Raum). Die beiden größten Ausstellungen zu diesem Thema fanden 1963 im Stedelijk Museum Amsterdam und in der Kunsthalle Baden-Baden statt, jeweils unter dem Titel Schrift und Bild. Die Ausstellung im Institute of Contemporary Arts in London 1965 trug den Titel Between Poetry and Painting. Die wenigen Beispiele zeigen, dass die damalige Avantgarde auf der Suche nach einer radikalen Erneuerung des Literatur- bzw. des Kunstbegriffes war. Dies gilt im Besonderen gerade auch für das künstlerische Konzept meines Vaters. Sehr früh war für ihn klar, dass er keine Gedichte im Sinne einer überhöhten, metaphernreichen oder hermetischen Sprache schreiben konnte. Für ihn war der einzige Weg hin zu einer Neukonzeption der Sprache selbst. Es sollte das einzelne Wort, der Begriff selbst, Ausgangspunkt künstlerischer Überlegungen sein. Die Sprache in Form der Schrift war für ihn Werkzeug, wie ein Pinsel oder Bleistift. Aber sie sollte selbst auch Kunstgegenstand sein.

In der aktuellen Ausstellung in der Cadoro sind Schreibmaschinentexte (Inkunabeln) vom Beginn der 1960er Jahre zu sehen. Schon hier wird deutlich, dass es um die konzeptuelle Relevanz des Begrifflichen geht. So ist etwa das Wort Licht (1961/62) vertikal über die Bildfläche verstreut, eine raumgreifende Transformation des Begriffes. Die Immaterialität des Begrifflichen ist Thema vieler seiner Werke. In der Rauminstallation weiss (WVZ.759/1988) thematisiert mein Vater die Differenz zwischen Weiß als Farbe und Vorstellung. Einerseits wird die Wand durch den Indikator weiss als weißes Quadrat wahrgenommen, bei dem die Wand zum Bildträger wird, der offene Raum daneben postuliert Weiß als Farbvorstellung. Eine der ersten Rauminstallationen war 1979 im Studio Grossetti in Mailand zu sehen: Ein kleines schwarzes Rechteck an der Wand in Augenhöhe, darunter indikatorisch das Wort di fronte (gegenüber). Auf subtile Weise postuliert mein Vater hier eine Eigenschaft eines Gegenstandes als konstitutiv für unser Verständnis von Raum.

Die Bildtafeln in der Ausstellung umfassen eine große zeitliche wie auch konzeptionelle Spanne der Werke. Als Beispiel sei hier das Werk gegenstand genannt. Durch die visuelle Darstellung erfassen wir das Wort als Ausdehnung im Raum, eine wesentliche Eigenschaft eines jeden Gegenstandes.

In seinem Werk visualisiert mein Vater die Möglichkeiten einer Kunst aus Sprache, bei der Aspekte wie die Beziehung zwischen Wort, Begriff und Gegenstand ebenso entscheidend sind wie kategoriale Bestimmungen wie Raum und Zeit. Seine Zeichen im Raum machen die poetisch konzeptuelle Relevanz von Sprache sichtbar.



Dr.  Dorothea  van der Koelen

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