Experimente V · 4+8 – Spuren Julien Hübsch
24. August 2023
Experimente V · 4+8: Julien Hübsch
Ein fliederfarbenes, geometrisch zugeschnittenes Stück Styropor durchtrennt von großen rostigen Nägeln, die auf dem Dämmungsmaterial bräunlich-orangene Spuren hinterlassen. Daneben und darunter pastellgelbe und reinweiße Stücke desselben Materials, die ebenfalls von Nägeln zusammengehalten werden und im Zusammenspiel mit einem Stück Tapete eine kontrastreiche Komposition aus geometrischen und organisch geschwungenen Einzelteilen bilden. Diese scheinen aufgrund ihrer heterogenen Materialität im Widerspruch zur Homogenität der sanften, geradezu lieblich anmutenden Farben zu stehen. Die Formgebung der einzelnen Styroporstücke ist mal streng geometrisch zugeschnitten, an anderer Stelle wieder in natürlich gebrochenem Zustand. Nichts scheint dem Zufall überlassen. Der Kontrast zwischen den Materialien, die im ersten Moment eine Assoziation mit Baustellen oder Sanierungsarbeiten aufkommen lassen und den zarten Farben, lässt uns als Betrachter:innen mit der Frage zurück, was die bewusst intendierte Zusammenstellung der Einzelteile, die einen gewissen Fundcharakter zu haben scheinen, als Gesamtkomposition evozieren. Die geschilderte Assemblage pink_5, die zu der ausgestellten Werkreihe pink_ones gehört, stammt von dem Künstler Julien Hübsch (*1995), der in der ›Expanded Painting‹-Klasse von Shannon Bool an der Kunsthochschule Mainz studierte und im Juli 2023 sein Diplom erlangte.
In seiner künstlerischen Arbeit setzt er sich mit urbanen Räumen und der vom Menschen veränderten Stadtlandschaft auseinander, hierbei ordnet er sich der Kunstströmung des ›Post-Vandalismus‹ zu. Für Julien Hübsch sind es häufig menschengemachte Spuren des Alltäglichen, die sein Interesse wecken. Der Reiz besteht für ihn darin, das Gesehene abstrahiert in seine Arbeiten zu übersetzen und in Folge dessen zu beobachten, was ästhetisch als Endresultat zurückbleibt, sobald jegliche Codes des restlichen Umfeldes besagter ›Alltagsspur‹ entfernt werden.
Beginnend mit Malerei in der Klasse von Sven Kroner an der Bauhaus Universität Weimar studierte Hübsch seit 2018 an der Kunsthochschule Mainz. 2022 sammelte er darüber hinaus Erfahrungen an der Hochschule für Grafik und Buchkunst Leipzig. In dieser Schaffensphase entstanden auch die ausgestellten Arbeiten pink_ones. Die Werkreihe entstand aus Dämmungsmaterial, welches bei einer Lagerräumung der Galerie für Zeitgenössische Kunst Leipzig übrig blieb. Hübsch setzt diese Materialien in seiner Arbeit in einen anderen Kontext, wodurch sie mit einem veränderten, von ihrem eigenen Umfeld isolierten Anspruch in die Kunstszene zurückkehren. Bei pink_ones wird deutlich, was für die meisten seiner Werke gilt: Das Material dominiert sein künstlerisches Schaffen und dient ihm als Ausgangspunkt für die Konzeption.
Luzia Reis & Hannah Zöller
Der Umgang mit Vandalismus und ähnlichen Spuren interessiert mich, wie diese wahrgenommen werden, wo sie auftauchen, welche Spuren bleiben, welche entfernt werden.
Julien Hübsch
Für unser Video der Woche traf sich Dr. Dorothea van der Koelen
mit Julien Hübsch zu einem Künstlergespräch im Ausstellungsraum in
der Cadoro. Darin spricht
der Künstler aus Luxemburg über die Inspiration für seine Arbeiten und was sein
kreatives Wirken antreibt.
Am kommenden Sonntag, dem 27. August 2023, um 12 Uhr findet darüber hinaus ein öffentliches Künstlergespräch mit Julien Hübsch in der Cadoro – Zentrum für Kunst und Wissenschaft in Mainz statt. Wir laden alle Kunstfreunde herzlich ein, die Veranstaltung zu besuchen, den Künstler persönlich zu treffen und eigene Fragen zu stellen.
