Guang Yao Wu

Noch ein Mal(en) · Fünf Strichgemälde – 31. Juli 2024 CADORO · Mainz

Über die Wiederholung (Noch ein Mal)

Strich in seiner ursprünglichen Eigenschaft:
1. Strich hat einen Anfang (Start): Ein Strich beginnt an einem bestimmten Punkt auf einer Fläche. Dieser Punkt wird oft als Startpunkt des Strichs bezeichnet.

2. Strich hat eine Einmaligkeit: Jeder Strich ist einzigartig. Selbst wenn zwei Striche ähnlich aussehen mögen, haben sie normalerweise kleine Unterschiede aufgrund von Faktoren wie der Handbewegung des Zeichners, dem Werkzeug, das verwendet wurde, oder anderen Variablen.

3. Strich zeigt eine Richtung (Bewegung): Ein Strich hat eine bestimmte Ausrichtung oder Richtung, die von seinem Startpunkt ausgeht. Diese Richtung kann gerade, gekrümmt, diagonal oder in jede andere Form sein, abhängig davon, wie der Strich gezeichnet wurde.

Wenn man die Sache (Tat) noch ein Mal wiederholt, dann ist der Erste (1) schon in dem Zweiten (2) drin. Das heißt, dass man zwar den Unterschied zwischen dem 1. und 2. deutlich erkennen kann, aber dass der Zweite nichts anderes ist als der Erste, weil der 2. gleich 1 plus 1 ist.

Es scheint, als würde ich über die Idee (die Tatsache) sprechen, dass die Wiederholung einer Handlung dazu führt, dass das Ergebnis nicht unbedingt etwas Neues ist, sondern einfach eine Wiedergabe oder eine Fortsetzung des Ersten. Ich möchte darauf hinweisen, dass das Zweite zwar als eigenständig erkennbar ist, aber im Grunde genommen eine Fortführung des Ersten darstellt.

Jeder einzelne Pinselstrich innerhalb einer Strichgruppe wird mit derselben Intention und gleichen Kraft von oben nach unten und dabei von rechts nach links durchgezogen. Zwischen jedem einzelnen Strich besteht ein gleicher Abstand. Damit hat jeder einzelne Pinselstrich die gleiche Möglichkeit sich vollständig zu zeigen. Dennoch kann man dieses Intervall wegen der Schnelligkeit und Spontaneität der Pinselausführung nicht gleichstufig festlegen.

Alle Strichgruppen sind zwar miteinander verbunden, dennoch haben aber jede Strichgruppe eine eigene Identität. Deswegen kann man diese Wiederholungen nicht als eine Imitation ansehen, sondern als einen modularen Prozess, der die Wiederholung noch einmal wiederholt.

Die Betrachtung des Malens ist eine Betrachtung von Strichen. Die Betrachtung meines Striches ist die Betrachtung der Wiederholung des Striches und der Strichgruppen. Die Wiederholung des Striches und der Strichgruppen ist die Wiederholung der Lebendigkeit und auch der Vergänglichkeit bzw. Einmaligkeit des Striches, kurz die Nichtwiederholbarkeit des Striches. Von daher ist die Betrachtung des Malens die Betrachtung der Nichtwiederholbarkeit der Striche.

Guang Yao Wu
Aus Atelier-Notiz 2012–2020


Dr.  Dorothea  van der Koelen

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